Der alte Mann und die heutige Christenheit

 

Rolf Müller

 

Die Christen sind gleichgültig geworden. Es interessiert sie nicht, ob das, was gepredigt wird, richtig oder falsch ist. Die Christen sind zahm. Sie scheuen sich, ihre Meinung zu sagen. Wenn Irrtum aufgedeckt wird, nennen sie das Verletzung der brüderlichen Liebe. Sie machen oft gemeinsame Sache mit den Bibelkritikern. Sie stehen auf der Seite derer, die ein anderes Evangelium und einen anderen Christus verkündigen als die Bibel.

 

Der alte Mann ist überzeugt, dass die Bibel Gottes Wort ist. Auf sie vertraut er. Diese Wahrheit sagt er weiter. Er nimmt in Kauf, wenn er damit Anstoß erregt. Das ist für ihn kein Grund, die Wahrheit zurückzuhalten. Das ganze Evangelium muss verkündigt werden, nichts darf weggelassen werden. Das gelingt nur mit Gottes Kraft.

 

Satan ist erfinderisch, wenn es darum geht, die Menschen zu täuschen. Jeder, dem der Herr Erkenntnis geschenkt hat, ist verpflichtet, die Gläubigen vor Verführung zu warnen. Wer das nicht tut, macht sich schuldig wegen einer unterlassenen Hilfeleistung.

 

Der alte Mann hat erlebt, dass Verführung oft unbemerkt und schleichend beginnt. Steter Tropfen höhlt den Stein. Man hat die gute Absicht, die Welt für Christus zu gewinnen und man verwandelt deshalb den Gottesdienst in einen Spielplatz. Die Grenze zwischen Gemeinde und Welt ist vielfach nicht mehr vorhanden. Der Trend geht hin zur Weltförmigkeit.

 

Die Gemeinde passt sich den Wünschen der Besucher an. Gott wird beiseite gesetzt. Er verschwindet aus dem Zentrum, ebenfalls die gesunde biblische Lehre. Die Christen haben das Wort Gottes verloren. Nicht, dass sie die Bibel verloren hätten. Es gibt genügend Bibeln in Deutschland. Aber die Bibel hat bei den Christen keine Autorität mehr. Sie haben sich in aller Stille von der Wahrheit der Schrift abgekoppelt.

 

Der alte Mann befürchtet, wenn der Glaube an die Genügsamkeit des Wortes Gottes nicht wieder gewonnen wird, werden die Gemeinden in  Zukunft immer  bedeutungsloser  werden. Der Glaube lebt von dem, was Gott sagt. Gott will, dass wir ihm vertrauen und beim Wort nehmen.

 

Wir behandeln den Herrn oft wie den Juniorpartner unserer religiösen Unternehmungen. Das ist Gotteslästerung. Wir haben uns daran gewöhnt, die Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Wir folgen Jesus nicht nach, wir laufen ihm voraus. Das ist kein Glaube, sondern Kleinglaube.

 

Der alte Mann stellt fest, dass heute vieles auf dieser Grundlage geschieht. Das ist meist gut gemeint. Man möchte, dass die Gemeinde zahlenmäßig wächst. Um dieses Ziel zu erreichen, beschließt man „fetzige“ Programme und führt zeitgemäße Gottesdienste durch. Aber vielleicht möchte Gott, dass die Gemeinde zunächst innerlich im Glauben und Gehorsam wächst. Vielleicht möchte Gott, dass sie nicht auf Methoden, sondern auf ihn vertraut.

 

Wenn der alte Mann versucht, eine Standortbestimmung zu geben, hat er viele Fragen an die heutigen Christen und er schließt sich dabei selbst mit ein: Stehen wir noch auf biblischem Boden? Ist unser Maßstab die Heilige Schrift? War die Reformation ein tragischer Irrtum? Sind wir vom Zeitgeist oder vom Heiligen Geist geprägt? Halten wir uns an die Lehre der Apostel oder passen wir uns der Welt an? Unser Herr gibt denjenigen, die an seinem Wort festhalten, eine große Verheißung: „Weil du bewahrt hast das Wort von meiner Geduld, will ich auch dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Erdkreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden.“

 

Du, Herr, hast selbst in Händen

die ganze weite Welt,

kannst Menschenherzen wenden,

wie es dir wohlgefällt;

so gib doch deine Gnad

zu Fried und Liebesbanden,

verknüpf in allen Landen,

was sich getrennet hat.

 

Gib Freudigkeit und Stärke,

zu stehen in dem Streit,

den Satans Reich und Werke

uns täglich anerbeut.

Hilf kämpfen ritterlich,

damit wir überwinden

und ja zum Dienst der Sünden

kein Christ ergebe sich.

 

(Paul Gerhardt).