NICHT ICH  - SONDERN CHRISTUS IN MIR

Fromme Rebellen

 

Wir haben gesehen, wie Gott alles ausschaltet, was der Mensch ist und schafft. Paulus hat es zuletzt gezeigt an dem Verhältnis Israels zu den Heiden. Das auserwählte Volk, das die Gottesoffenbarung hat, erlangt nichts; die Heiden, die von Gott nichts wissen, gehen in Scharen ein in das Heil. Warum das? Israel sucht das Heil in dem, was es selbst ist und schafft, die Heiden, die nichts sind und schaffen, stellen sich gern auf den Boden dessen, was Gott in Christus Jesus zu ihrem Heil ist und schafft.

 

Paulus empfindet tief das tragische Geschick des auserwählten Volkes. Es ist sein Volk, sein Herz brennt für die Rettung dieses Volkes. Tragisch: Es ist so wenig Eifer für Gott in der Welt; hier in diesem Volk ist eine heilige, leidenschaftliche Bewegung zu Gott hin, und diese kann nicht zum Ziel führen, weil sie irregeleitet ist, weil sie „nicht gemäß der Erkenntnis“ ist, weil sie nicht anerkennt, was Gott ist und was der Mensch ist; weil sie die Sache nicht sieht und beurteilt, wie Gott sie sieht und beurteilt. „Sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und trachten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten und sind also der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan.“ Wörtlich: Sie erkennen nicht die Gerechtigkeit Gottes – die Gerechtigkeit, die Gottes ist, die Gott schafft, die allein sein Werk ist mit Ausschluss alles Menschenmachwerkes; die Gerechtigkeit, die Gott geschaffen hat in Christus Jesus für eine verlorene, selbstsichere, rebellische Welt; die Gott schenkt. Sie trachten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Sie sind versunken in sich selbst, mit ihrem eigenen Ich beschäftigt und wollen ihr Ich vor Gott aufrichten und heiligen und schmücken und herrlich machen – fleischlich gesinnt!

 

„Sie eifern um Gott.“ Mit leidenschaftlichem Eifer flicken sie an ihren Lumpen, um Gott zu gefallen, und verachten das himmlische Prachtgewand, das Gott ihnen darbietet – eben weil sie mit Augen und Gedanken so versunken sind in sich selbst, dass sie für nichts anderes Augen und Ohr haben. „Und sind also der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan.“ Wer mit seinem Ich sich beschäftigt, es kultivieren, veredeln, heiligen, vervollkommnen, vor Gott herrlich darstellen will, der wird eben damit ein immer größerer Rebell gegen Gott und ist bei allem leidenschaftlichen Eifer weder Gott untertan noch der Gerechtigkeit, die nicht aus Menschen, sondern aus Gott allein ist.

 

„Ende, nämlich des Gesetzes, ist Christus – zur Gerechtigkeit jedem Glaubenden.“ In Christus dem Gekreuzigten ist ein für allemal und gründlich mit dem aufgeräumt, was der Mensch ist und tut. Der Mensch mit allem, was er geschafft hat und schafft, ist in Christus ans Kreuz genagelt, mit Christus gekreuzigt, gestorben, begraben. „Ende“ ist im Grundtext stark betont als erstes Wort an die Spitze gestellt: Ende! Vorbei damit! Gänzlich ausgeräumt, hinweggefegt für immer! Was? Das Gesetz. Die Sklavenpeitsche, die den Menschen hetzt: du, du! Du, Mensch, du musst etwas aus dir machen, du musst dich bessern, du musst etwas werden, du, mach dich göttlich, du, sei Gott! Christus, der Gekreuzigte ist das Ende alles dessen. „Wer an ihn glaubt, der ist gerecht.“

 

Wie einfach! Wie kindlich! Wie hört da alle Spannung auf! Aber eben weil es so einfach ist, sieht der hochmütige Mensch, sieht das Ich darin eine tödliche Beleidigung, empört sich der fromme Sinn dagegen, der eben in sich fromm sein will, etwas sein will. Hier ist er gar nichts: „Wer an ihn glaubt, der ist gerecht.“ Sobald der Mensch den Boden dessen, was er ist und schafft, gänzlich verlässt und sich stellt auf den Boden dessen, was Gott in Christus schafft, ist er gerecht, ist er vor Gott in der Stellung, in der Gott ihn haben will. Da mag er in religiöser und sittlicher Hinsicht weit zurückstehen gegen die, die auf dem Boden des Gesetzes stehen, er ist gerecht, er hat die Gerechtigkeit Gottes, hat Gott, während jene nichts haben als ihr Ich – vielleicht ein sehr schönes, bewunderungswürdiges Ich, voll heftiger, leidenschaftlicher Bewegung zu Gott hin, aber doch nur ihr Ich.

 

Ist Christus deines Gesetzes Ende? Glaubst du an ihn, wirklich gar nicht an dich? Hast du die Gerechtigkeit Gottes? Bist du gerecht? 

Auszug aus "Nicht ich, sondern Christus in mir" von Johannes Lohmann